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Vom Fußgänger zum Motorflieger … ein persönlicher Blogeintrag eines Vereinsmitgliedes
(Teil 2)

Hier geht es zum ersten Teil: https://ac-mh.de/2021/01/31/vom-fussganger-zum-motorflieger-ein-personlicher-blogeintrag-eines-vereinsmitgliedes-teil-1-zum-a-flug/

Unglaublich stolz, glücklich, aufgedreht – so habe ich mich vergangenes Jahr schon mindestens vier Mal nach dem Fliegen gefühlt. Beim letzten Mal war das Erlebnis aber ein ganz Besonderes: Der erste Flug, ganz allein, weitab des Heimatflugplatzes – ganz auf mich allein gestellt, ganz allein verantwortlich, kein Fluglehrer, der Hinweise gibt, nur das Flugzeug, die Weite um mich herum, ich allein und das Gefühl: „Ich kann das!“.
Im ersten Teil hatte ich über meine Anfänge bis hin zum ersten Alleinflug geschrieben. Nun geht es weiter:

Neben dem ersten Alleinflug – dem sogenannten A-Flug – war auch die theoretische Prüfung ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu meiner Pilotenlizenz. Dazu können wir uns individuell anmelden, wir können also alle nach unseren Möglichkeiten und Bedarfen lernen. Wichtig ist nur, dass die theoretische Prüfung bestanden sein muss, bevor man das erste Mal allein abseits des Heimatplatzes fliegen darf.
Nun war also der richtige Zeitpunkt, um mich zur Prüfung anzumelden. Fit genug fühlte ich mich, sollte aber doch noch einige Male ins Fachbuch schauen und mich weiter gezielt mit dem Fragenkatalog vorbereiten. So reiste das Buch mit in einen Kurzurlaub mit der Freundin, zwei Wochen später war ich zur Prüfung nach Düsseldorf geladen. Das Ergebnis gab es direkt im Anschluss: Die Prüfung war in allen Fächern bestanden! In zwei der neun Fächer zwar nur mit den erforderlichen 75%, aber bestanden ist bestanden. Perfekt, jetzt stand dem Überlandflug nichts mehr im Wege.
Doch – eines noch: Die Prüfung würde nicht auf der ASK16 (das war das Spornradflugzeug) sondern auf dem anderen Motorsegler (Super Dimona) erfolgen. Also musste ich ab sofort wieder auf dieser Maschine fliegen. Da sie sich aber doch etwas anders fliegt als das alte Spornradflugzeug, brauchte ich nochmals fünf Flugstunden, bis ich auch diese Maschine so gut landen konnte, dass ich damit allein fliegen durfte.

Ende Oktober schaffte ich es endlich, wieder allein im Cockpit zu sitzen und meine ersten vier Runden auf der Dimona zu fliegen. Jetzt war ich vorher weniger aufgeregt als beim allerersten Alleinflug, die Landungen waren aber wiederum anspruchsvoller als mit Fluglehrerballast. Außerdem blies der Wind mit 13 Knoten (ca. 24 km/h) ganz ordentlich. War aber kein Problem, denn er kam bei der Landung praktisch nur von vorne und nicht kritisch von der Seite. Aber es war ziemlich böig! Bei der vierten und letzten Landung traf ein Windstoß kurz vor dem Aufsetzen die linke Tragfläche und hob sie deutlich an. Jetzt machten sich die vielen Flugstunden und das intensive Landetraining vorher bezahlt – ich schaffte es, die Bewegung auszugleichen, ohne dass der rechte Flügel den Boden berührte.
Eine Woche später saß ich nach einer einzelnen Platzrunde mit Fluglehrer, auf der wir einige Notfallübungen machten, wieder allein im Cockpit. Fünf Runden allein mit ausschließlich schönen Landungen. Das tat gut! Ich war mir wieder ganz sicher, dass ich das Fliegen hinbekäme.
Die vorgeschriebenen Übungen und Notfallverfahren, die für den ersten eigenen Überlandflug erforderlich sind, haben wir nun alle trainiert:
– Motorausfallübungen in der Platzrunde: Innerhalb der normalen Platzrunde muss von einer ungewohnten Position heraus ohne Motorleistung sauber gelandet werden.
– Ziellandeübungen: Hier muss ebenfalls ohne Motorleistung, aber von hoch über der Landebahn aus, gelandet werden. Die Einteilung der verkürzten Platzrunde im Gleitflug ist entscheidend.
– Motorausfallübung abseits eines Flugplatzes: Auf einem Überlandflug bringt der Fluglehrer den Motor ohne Vorankündigung in den Leerlauf, der Flugschüler muss sich ein geeignetes Landefeld suchen und eine Notlandung dort fast vollständig absolvieren – erst kurz vor dem Aufsetzen wird wieder durchgestartet und somit die Übung vom Fluglehrer beendet. Dabei kommt es neben dem richtigen Anflug auch darauf an, schon von möglichst weit oben gut genug zu beurteilen, ob sich ein Feld wirklich eignet oder ob doch Gefahren lauern. Die erkennt man teils erst viel tiefer oder mit mehr Erfahrung. So hatte ich mir beim letzten Training ein Feld ausgesucht, vor dem ein einzelner Baum und einige Büsche standen. Die Büsche entpuppten sich unten dann als junge Bäume mit doch schon ganz ordentlicher Höhe. Da war einiges vom bisher Gelernten gefordert: Urteilsvermögen – reicht die Höhe noch für ein Umentscheiden für ein anderes Feld und gäbe es überhaupt eines, welches ich mir optimalerweise vorher schon ausgeguckt habe? Entscheidungsfreude – die beste Entscheidung konsequent treffen. Konstanz – bei der richtigen Entscheidung bleiben. Flexibilität – auf neue Erkenntnisse richtig im Rahmen der Möglichkeiten reagieren.

Gut, alle Übungen waren absolviert, als nächstes stand also der allererste Flug ganz alleine außerhalb der heimischen Platzrunde an. Im Vorfeld besprach ich mit meinem Fluglehrer, welche Route ich vorbereiten sollte: Ich plante einen Flug von Mülheim nach Dinslaken, dort sollte ich einen Touch & Go (also eine Landung mit Aufsetzen und sofortigem Durchstarten) machen und mir anschließend etwas aussuchen, so dass ich insgesamt etwa eine Stunde lang in der Luft bleiben und wieder in Mülheim landen würde.
Neben der reinen Berechnung der Kurse musste ich jetzt noch mehr vorbereiten und kalkulieren: Wie komme ich zum nächsten Flugplatz, welche Funkfrequenz muss ich wann einstellen und von wo aus sollte ich den Flugplatz anfunken? Wie ist die Platzrunde dort definiert, aus welcher Richtung kommt vermutlich der Wind, in welche Richtung muss vermutlich gelandet werden? Gibt es Hindernisse am Platz, wie lang ist die Piste? An welchen Merkmalen am Boden kann ich mich orientieren? In welcher Höhe will ich fliegen? In welcher Höhe muss ich mindestens fliegen? In welcher Höhe darf ich maximal fliegen? Wie schwer ist das Flugzeug, wieviel Benzin darf ich maximal tanken, um innerhalb der Gewichtsgrenzen zu bleiben? Am großen Tag selbst gab es noch mehr zu berechnen: Was sagt die ganz aktuelle Wetterprognose für die gesamte Flugstrecke? Von wo kommt der Wind mit welcher Stärke auf welcher Flughöhe und welche Auswirkung hat das auf meine Geschwindigkeit? An welchem Punkt der Route sollte ich wann sein und wie lange werde ich insgesamt in der Luft sein, reicht mein Sprit dafür und bleibt genug Reserve? Da der Wind das Flugzeug vom Kurs wegdrückt, musste ich für jedes Teilstück berechnen, wie ich diesen Effekt ausgleichen kann – wenn alle elektronischen Geräte ausfallen, muss die Navigation auch nur mit dem ganz normalen Kompass funktionieren.
Alle berechneten Werte wurden sauber notiert – im Flug muss ich schnell auf die Ergebnisse zurückgreifen können.

Kurz vor der Fahrt zum Flugplatz nochmal alles kontrollieren: Der Bleistiftstrich auf der Karte, der meine Route markiert, war deutlich zu sehen. Alle Karten und Übersichten für Dinslaken und zur Sicherheit auch vom Platz in Marl waren ordentlich und griffbereit verstaut. Headset, Ausweise, Flugbuch, die fertige Flugvorbereitung – alles war da.
Ich war an diesem Tag sehr früh vor dem Flug vor Ort, damit ich das Flugzeug wirklich ganz in Ruhe kontrollieren, betanken und vorbereiten konnte.
Fertig vorbereitet stand die Super Dimona vor der Halle in der Sonne, alle Unterlagen waren so bereitgelegt, dass ich sie in der richtigen Reihenfolge im Flug ansehen konnte.


(Noch Öl nachfüllen, dann geht`s los!)

Endlich war Guido da, wir füllten noch Öl nach und er überreichte mir nach Kontrolle meiner akribischen Flugvorbereitung den schriftlichen Flugauftrag – dann konnte es ja losgehen! Einen Tipp bekam ich noch mit dem Sprichwort der (motorisierten) Flieger mitgegeben: „You can always go around“ – „Du kannst immer abbrechen und es nochmal versuchen, falls irgendwas nicht passt“. Und falls ich Mülheim nicht wiederfände, sollte ich halt den Turm anfunken und mir das QDM (den Steuerkurs zum Flugplatz) geben lassen.
Ich saß nun allein im Cockpit und zog die Checkliste hervor: Alle Instrumente waren im grünen Bereich. Der Start klappte wunderbar.


(Schon nach Dinslaken: erst deutlich, dann langsam steigen)

Schon sieben Minuten später näherte ich mich in einer Höhe von 2.200 Fuß über Grund (etwa 670 Meter) dem Flugplatz Dinslaken – Schwarze Heide und meldete mich über Funk an.
Hier war ich zuvor noch nie, musste mir die Platzrunde also erstmals selbst suchen. Die Karte zeigte nur flächenhaft einen Wald und ein wenig Bebauung. Zum Glück hatte ich mir die Runde vorher schon einmal auf dem Luftbild angesehen, das half. Jetzt war ich aber 1.000 Fuß (etwa 300 Meter) über der vorgeschriebenen Platzrundenhöhe. Also suchte ich mir eine Stelle möglichst abseits der Ortschaften, um im Kreisflug zu sinken und flog in die Platzrunde ein. Außer mir war zu dem Zeitpunkt nur noch ein anderes Flugzeug unterwegs und rollte gerade in Richtung Piste. Alles sehr entspannt, der Wind kam von vorne, die Piste war anderthalb Kilometer lang. Genug Platz für die Landung und sofort anschließenden Start. Jetzt sauber die Platzrunde ab- und in Richtung Westen wegfliegen.
Der nächste zu fliegende Kurs führte ganz einfach geradeaus nach Westen bis zur A3, an der entlang es weiter nach Norden bis nach Bocholt ging. Dort wollte ich wieder umdrehen, mich etwas in Richtung Rhein orientieren und dann zwischen A3 auf der linken und dem Rhein auf der rechten Seite zurück nach Hause fliegen. Hier ist der Luftraum nach oben hin ziemlich frei, ich flog nun in 3000ft (900m). An der A3 angekommen meldete ich mich bei „Langen Information“ – dieser sogenannte Fluginformationsdienst hat über Radar ein Auge auf alle Sichtflieger und gibt Verkehrshinweise weiter.
Ab diesem Zeitpunkt hatte ich zunächst einmal etwas Zeit und Entspannung. Bocholt tauchte zuerst als größere Siedlung am Horizont auf, dann konnte ich die Stadt eindeutig anhand des charakteristischen Aasees identifizieren. Kurz vor der Stadt drehte ich also nach links weg und orientierte mich neu. Über meine linke Tragfläche hinweg erspähte ich ein anderes Flugzeug auf gleicher Höhe, das sich mir im spitzen Winkel zu nähern schien. Theoretisch hätte ich „Vorfahrt“ gehabt, denn ich kam von rechts. Von Langen Information hörte ich nichts. Der Luftraum über mir war nicht begrenzt, also zog ich lieber hoch und brachte jetzt einfach einen ordentlichen vertikalen Abstand zwischen uns. Mittlerweile flog ich auf knapp 4.000 Fuß und damit mindestens 500 Fuß über dem anderen Flieger. Während ich den Luftraum nun sehr intensiv beobachtete, drehte ich langsam nach Süden. Der nächste Anhaltspunkt war wieder die A3, die ich überfliegen und dann zwischen ihr und dem Rhein zurückfliegen wollte. Von hier boten sich mir fantastische Ausblicke auf den Rhein und die rechtsrheinischen Städte, die im Gegenlicht strahlten. Unbeschreiblich schön! Genau das war es, weshalb ich mit dem Fliegen begonnen hatte und endlich konnte ich das so erleben. Herrlich. Gleichzeitig durfte ich jedoch nicht vergessen, den Luftraum auf andere Flieger zu kontrollieren.


(Seen nordwestlich von Wesel)


(Auesee direkt westlich von Wesel, Flürener Altrhein und gegenüber Altrhein bei Xanten)

Ab Höhe Dinslaken begannen wieder die Lufträume von Düsseldorf. Noch hatte ich Zeit für den Abstieg, mit Einflug ins Ruhrgebiet waren aber nur noch 3.500 Fuß erlaubt, spätestens am Gasometer durfte ich nur noch 2.500 Fuß hoch sein. Ab jetzt überwachte ich Fluggeschwindigkeit, Sinkrate und Höhe wieder ganz genau und achtete darauf, das Flugzeug mit Gas und/oder Knüppel und Trimmung nach unten zu steuern – es musste runter gehen! Die Zeit zum Genießen war vorbei, das Fliegen forderte wieder mehr Aufmerksamkeit. Rechtzeitig musste ich mich bei Langen Information abmelden, wieder auf die Frequenz von Mülheim wechseln, dort dem Funkverkehr etwas zuhören, um niemandem dazwischen zu quatschen, und mich dann spätestens am Gasometer Oberhausen zur Landung anmelden.
Gelandet und gestartet wurde an diesem Tag in Richtung Osten. Also drehte ich schon am Gasometer zuerst nach Osten hinaus, um in einer langen sanften Kurve in die Platzrunde einfliegen zu können. Kurz vor Mülheim kam mir ein gerade gestartetes Flugzeug entgegen – noch sehr tief.
Nachdem wir uns passiert hatten, ließ ich die Dimona die letzten Fuß bis zur Platzrundenhöhe absinken. Das sollte nicht zu früh passieren, damit die Lärmbelastung für die Anwohnenden geringgehalten wurde. Gleichzeitig musste es jedoch so früh passieren, dass in der Platzrunde fliegende Flugzeuge rechtzeitig gesehen werden.
Von hier aus war alles wieder „Routine“ – wenn ich das schon so nennen konnte. Hinein in den Gegenanflug, Position über Funk melden, Landecheck durchführen – Vergaservorwärmung und Treibstoffpumpe einschalten. Mit der Propellerverstellung aus Lärmschutzgründen noch warten, bis ich über freiem Feld fliege. Eindrehen in den Queranflug. Gas rausnehmen, den Propeller auf Startstellung bringen. Position melden. Passt die Höhe? Ich musste etwas mehr sinken. Also weniger Gas. Eindrehen in den Endanflug, erneut Position melden, Bremsklappen leicht ausfahren, Gas ganz raus und deutlich Höhe abbauen. Die Sinkrate leicht mit dem Gashebel korrigieren und schon war ich über der Piste. Die Dimona und ich schwebten über der Piste aus, setzten leicht härter als gewohnt, aber sauber auf und verließen ganz entspannt die Piste über den Rollweg in Richtung unserer Hallen. Direkt im Anschluss an das Abstellen des Fliegers musste die Landezeit notiert und das Bordbuch geschrieben werden. Ordnung muss sein.


(Glücklich zu Hause gelandet)

Endlich war Zeit zum Durchatmen und meinem Fluglehrer Bescheid zu geben. Zum Glück waren gerade zwei andere Piloten vor Ort, die mir beim Verstauen der Dimona im Hangar unter die Arme griffen und bei denen ich das erste, ganz bewegte „Das war mein erster Solo-Überlandflug!“ loswerden konnte. Genial! Selbst das Putzen der Maschine fiel heute ganz leicht – ich ließ mir sogar bewusst Zeit und genoss das richtig. Genau so hatte ich mir das vorgestellt, genau deswegen stand ich hier, genau darauf hatte ich jetzt ein Jahr lang hingearbeitet. Und das auch noch einen Tag vor meinem 41. Geburtstag – so hatte ich mich quasi schon im Vorfeld selbst mit einem unvergesslichen Erlebnis beschenkt. Am Abend hörte ich mehrmals Reinhard Meys „Alleinflug“ – das passte genau.
Nach dem Flug ist vor dem Flug, auf jeder Tour gibt es etwas zu lernen. Deswegen zeichnete ich meine Flüge nun auch mit dem GPS-Gerät auf und schaute sie mir im Nachhinein an. Hier sah ich auch, dass ich die Platzrunde in Dinslaken beim Anflug doch noch etwas verfehlt hatte – das würde dann beim nächsten Mal besser gehen.
Ich kann es kaum erwarten, das nächste Mal zu einem wunderschönen Überlandflug in den Flieger zu steigen!