Vom Fußgänger zum Motorflieger … ein persönlicher Blogeintrag eines Vereinsmitgliedes
(Teil 1 – zum A-Flug)
Unglaublich stolz, glücklich, aufgedreht – so habe ich mich vergangenes Jahr schon mindestens vier Mal nach dem Fliegen gefühlt. Beim letzten Mal war das Erlebnis aber ein ganz Besonderes: Der erste Flug, ganz allein, weitab des Heimatflugplatzes – ganz auf mich allein gestellt, ganz allein verantwortlich, kein Fluglehrer, der Hinweise gibt, nur das Flugzeug, die Weite um mich herum, ich allein und das Gefühl: „Ich kann das!“. Dazu kommen wir aber erst im zweiten Teil meines Blogs. Im ersten Teil schreibe ich über meine Anfänge bis hin zum ersten Alleinflug, einen der wichtigsten Schritte auf dem Weg zur Pilotenlizenz.
Doch von Anfang an:
Im November 2019 habe ich den Entschluss gefasst, einen Flugschein zu machen. Wirklich lange wusste ich nichts vom AERO-CLUB Mülheim, sondern dachte, man müsse die Ausbildung bei einer der Flugschulen in der Region machen. Erst durch einen fliegenden Arbeitskollegen kam ich dann darauf, mich nach Flugvereinen umzusehen. Kurz nach meinem 40. Geburtstag schrieb ich also die E-Mail an den Mülheimer Aeroclub, fünf Minuten danach klingelte auch schon das Telefon: Carsten, der Ansprechpartner für die Flugausbildung, rief schon zurück und gab mir die ersten wichtigen Infos. Schon am nächsten Freitag saß ich im Theorieunterricht, um in die Ausbildung einmal hineinzuschnuppern. Im Anschluss an die Unterrichtsstunde konnte ich noch weitere Informationen zur Ausbildung bekommen. Jetzt war mir schon klar, dass es auf eine Motorflugausbildung hinauslaufen würde. Auch Segelflug wäre möglich gewesen. Allerdings war für mich ausschlaggebend, dass die Segelflugausbildung und auch später das Segelfliegen deutlich mehr Zeit erfordert und nur an den Wochenenden möglich ist. Da ich in Vollzeit arbeite und praktisch nur das Wochenende für mich habe, würde das leider nicht funktionieren. Eine Nacht drüber geschlafen, nochmal die Kosten überschlagen und schon war ich am Samstag wieder beim Verein, wo gerade bei den Baustunden an den Flugzeugen geschraubt und geputzt wurde. Hier warteten zwei weitere wichtige Erkenntnisse:
1.: Alle Fliegenden warten ihre Fluggeräte selbst und kümmern sich selbst um die Vereinsgebäude und das Gelände. Mitmachen ist Pflicht! Aber genau das macht die Vereinsmitgliedschaft auch so reizvoll: Man lernt eben nicht nur zu fliegen, sondern weiß auch genau, was am Flugzeug warum funktioniert
oder eben auch nicht.
Und 2.: Aha, man muss gar nicht auf einer Cessna oder einem anderen reinen Motorflugzeug lernen, sondern es gibt auch Motorsegler! Die gibt es sowohl als Segelflugzeug mit Zusatzmotor aber auch als Motorflugzeug, das auch (etwas) segeln kann.
Hier ein Motorsegler des Vereins der viel in der Schulung eingesetzt wird, eine Dimona HK36 TC 100
Das schien mir das Richtige zu sein.
Jetzt schnell Nägel mit Köpfen gemacht. Den Aufnahmeantrag habe ich sofort vor Ort unterschrieben! Gleichzeitig gab es sofort viel Bürokratie: Führungszeugnis und Zuverlässigkeitsüberprüfung beantragen, eine Untersuchung beim Fliegerarzt buchen, Ausbildungsmaterial beschaffen. Klar, dass ich das alles möglichst schnell erledigen wollte – immerhin durfte ich erst wirklich ins Flugzeug steigen, als alle Unterlagen vorlagen. In der Zwischenzeit musste ich aber nicht nur abwarten, sondern nahm ab sofort ganz offiziell an der Theorieausbildung teil.
Die stemmt der AERO-CLUB Mülheim selbst mit eigenen Fluglehrern immer im Winterhalbjahr. Dabei wird nicht zwischen Motor- und Segelflug unterschieden: Praktisch alle Themen sind für beide Sparten wichtig und auch als Motorflieger gibt es viel aus dem Segelflugbereich zu lernen – und andersherum. Jeden Freitag saßen wir also abends zwei Stunden lang im Vereinsheim und lernten Aerodynamik, Technik eines Flugzeuges, Navigation, Wetterkunde und noch vieles mehr. Je nach Fach funktionierte das leichter oder weniger leicht. Auf jeden Fall half es, mindestens im Nachhinein nochmals im Fachbuch nachzulesen und die Berechnungen und Kurskalkulationen noch einmal selbst durchzuspielen. An den Samstagen waren viele von uns ebenfalls abends im Verein und halfen bei der Flugzeugwartung. Gerade die Segelflugzeuge werden im Winter regelmäßig weitgehend auseinandergenommen, auf Herz und Nieren geprüft, poliert, wo nötig repariert und wieder zusammengesetzt.
Im März 2020 saß ich erstmals in einem Motorsegler, um überhaupt endlich einmal in die Luft zu kommen. Eigentlich verrückt: Das einzige Mal, dass ich vorher in einer kleinen Maschine saß, war in der Kindheit bei einem 15-minütigen Rundflug irgendwo in Dänemark. Und trotzdem war ich nun im Verein angemeldet und hatte schon einiges investiert. Gleichzeitig gibt es offenbar doch einige, die das Fliegen in kleinen Flugzeugen nicht gut vertragen – gerade, wenn es nicht so sanft ist. Der Flug war wirklich rumpelig, die Luft deutlich bewegt, die Sicht war nicht besonders gut – aber ich konnte schon etwas selber steuern und stieg nach einer Stunde überglücklich und noch motivierter aus. Genial! Das Ruhrgebiet von oben zu sehen, ist doch etwas ganz Besonderes. So hatte ich mir das gewünscht!
Der Motorsegler (die „Dimona“) von außen auf dem Flughafen Essen/Mülheim
Nur eine Flugstunde später war aber schon wieder Schluss: Das Coronavirus kam und mit ihm der Lockdown. Jeglicher Flugbetrieb im Verein wurde untersagt. So konzentrierten wir uns ganz auf die Theorieausbildung, die von da ab online stattfand. Die Zeit wurde jetzt besonders sinnvoll genutzt, zusätzlich zur normalen Ausbildung gab es Vorträge von erfahrenen Piloten zu verschiedenen Themen der Luftfahrt. Außerdem begannen wir online mit der Funksprechausbildung.
Das ist auch eine schöne Besonderheit an der Fliegerei und gleichzeitig eine besondere Herausforderung: Es geht hier nicht nur um das Fliegen selbst sondern wir lernen wirklich viel zu verschiedensten Themen. Es gibt letztlich nicht nur eine Prüfung, sondern eine ganze Reihe von theoretischen und praktischen Prüfungen, die bestanden und Bescheinigungen, die erworben werden wollen.
Beim Funken geht es jedenfalls darum, korrekt mit festgelegten Phrasen und damit eindeutig und verständlich über Funk kommunizieren zu können. Das ist die Voraussetzung, um beispielsweise durch eng kontrollierte Lufträume, wie die des Flughafens Düsseldorf, fliegen zu dürfen. Dabei stellte sich die Onlineausbildung tatsächlich als vorteilhaft heraus: Wir konnten uns viel häufiger treffen, viel intensiver trainieren und – da wir uns nicht sahen – das Funken viel realistischer simulieren. Mittlerweile ist der Einsatz der beiden Vereinskollegen, die den Tower simuliert haben, mit 100% bestandenen Prüfungen aller 16 Funkfüchse im ersten Versuch belohnt worden.
Nach dem ersten Lockdown ging es mit der praktischen Ausbildung weiter – aber natürlich entsprechend den Regeln der Coronaschutzverordnung und mit Hygienekonzept. Dazu zählt zum Beispiel auch das Tragen einer Maske für alle Flugzeuginsassen. Siehe auch https://ac-mh.de/2021/01/21/fliegen-mit-maske-so-erlebte-ein-muelheimer-sportverein-das-corona-jahr/
Der erste Flug mit Fluglehrer Guido führte mich über den Flughafen Düsseldorf hinweg – und da ich ja schon die Funkausbildung mitmachte, sollte ich sofort das Funken übernehmen. Das war wohl auch ein Erlebnis, das ich so nicht mehr haben werde: Normalerweise muss man sich vor Einflug in die Kontrollzone anmelden, bekommt eine Einflugfreigabe, muss aber nochmals auf eine Lücke im Flugverkehr der großen Maschinen warten und darf erst dann passieren. Der Flugverkehr war direkt nach dem Lockdown aber noch nicht wieder angelaufen, es landete nur ein Bruchteil der sonstigen Flieger in Düsseldorf. So erhielt ich alle Genehmigungen zum Durchflug schon, bevor ich überhaupt in die Kontrollzone eingeflogen war – was mich als Funkanfänger natürlich völlig durcheinanderbrachte, weil die gelernten Verfahren in dieser besonderen Situation keine Anwendung mehr fanden, ich aber trotzdem die rechtlich vorgeschriebenen Meldungen absetzen musste. Der Flughafen glitt also vollgeparkt und gänzlich unbewegt unter uns hindurch – irgendwie unheimlich. Auf demselben Flug lernte ich auch die Bedienung der Funknavigationsanlage: Im Land verteilt stehen Funkfeuer, deren Signale man im Flugzeug empfangen und sich an ihnen orientieren kann – wenn man weiß, was man da eigentlich tut. Navigiert wird aber dennoch grundsätzlich nach Sicht.
So sieht eine Funknavigationsanlage (auch VOR genannt) von oben aus.
In der Ausbildung lag der Fokus bei mir ab diesem Zeitpunkt auf Platzrunden: Wir drehten praktisch nur noch Runden um den Flugplatz in Mülheim oder bei benachbarten Plätzen, um Starts und Landungen zu trainieren. Dabei ist die Platzrunde nicht einfach eine willkürlich geflogene Runde um den Flugplatz herum, sondern eine eindeutig definierte Route, die in festgelegter Höhe abgeflogen werden muss. Dieses Verfahren dient dazu, den Flugverkehr zu ordnen, zu sichern und die Anwohnenden möglichst vor Fluglärm zu schützen. Es hilft uns selbst auch, den Anflug nach einem Standardverfahren kontrolliert und damit sicher durchführen zu können. Dabei halte ich Ausschau nach anderem Verkehr und achte gleichzeitig auf die Motorleistung, das Funken und noch vieles mehr. Es gilt: die Standardverfahren nach Checklisten abarbeiten und möglichst auch noch gut landen. Klar, dass das nicht von heute auf morgen funktioniert. Mein Fluglehrer ließ mich aber immer mehr selbst tun und korrigierte irgendwann nur noch auf den letzten Metern. Zuletzt hatte ich vermutlich eineinhalb eigene Landungen absolviert. Leider schaffte ich es aber nicht, schon jetzt sauber genug zu fliegen, als dass ich allein hätte fliegen könnte.
Mittlerweile war der Frühling schon lange vorbei, der Sommer stand in voller Blüte und damit beginnt begann der jährliche Lehrgang des Vereins in Amboise-Dierre, wo jedes Jahr bei besten thermischen Bedingungen und viel freiem Luftraum drei Wochen lang täglich geflogen wird (s. auch z.B. https://ac-mh.de/2019/07/03/27-07-17-08-2019-sommerlager-in-amboise-dierre-frankreich/). Dieses Mal logischerweise unteren strengen Auflagen.
Zunächst war ich mir unsicher, ob es sich für mich lohnen würde, die 750 Kilometer nach Frankreich zu fahren – immerhin waren fast nur Segelflieger vor Ort. Mit dabei war aber auch ein Motorsegler, den ich vorher allerdings noch nie bedient hatte: Es handelt sich um eine ASK16, einen Oldtimer, der nur 44-mal gebaut wurde.
Ich fuhr letztlich für zwei Wochen gen Süden, hinein in die Hitze der Touraine, die für ihre Schlösser aber auch für ihre Trockenheit bekannt ist. Schon am Ankunftstag saßen wir alle im Flugzeug und drehten die ersten Runden. Und wieder wartete ein „Wow“! Diese Weite – soweit das Auge reicht, gab es nach Süden hin nur trockene Felder, gleichzeitig aber nach Norden hin das atemberaubende Panorama der Loire, die sich durch die Ebene windet.
Großartiger Blick über die vielen Felder von Zentral-Frankreich.
Eineinhalb Wochen später, nachdem ich jeden Tag mindestens einmal und mindestens eine Stunde lang zusammen mit Fluglehrer Carsten trainiert hatte, konnte ich sowohl sauber landen als auch die ersten Navigationsflüge unternehmen. Zum Training hatte ich mir auf der Flugkarte einige der Schlösser und Chateaux herausgesucht, mit Linien verbunden und die zu fliegenden Steuerkurse und Zeiten berechnet. Später war ich selbst erstaunt, dass ich alle Ziele gefunden habe und dass dann auch noch die Zeit passte. Super!
Das berühmte Schloss Chambord aus dem Flugzeug fotografiert.
Mein Résumé am Lehrgangsende: Das hat sich auf jeden Fall gelohnt und mich fliegerisch in sehr kurzer Zeit sehr weit gebracht!
Eine Woche später traf ich mich mit Carsten erneut in Mülheim zum Fliegen. Was ich vorher nicht wusste: Heute sollte ich zum ersten Mal alleine Platzrunden fliegen! Dafür würden wir zunächst einige Runden drehen, dann gäbe es einen Checkflug mit einem anderen Fluglehrer, den ich nicht kannte. Im Cockpit war ich nervöser als sonst, die Landungen waren nicht die Allerbesten, einmal – und ausgerechnet an diesem Tag zum allerersten Mal – sprang das Flugzeug trotz gefühlt guter Fluglage wieder hoch und wir mussten durchstarten.
Die drei Platzrunden mit dem anderen Fluglehrer gelangen jedoch perfekt!
Noch ein letzter Hinweis der Fluglehrer: Alleine bin ich 80 Kilogramm leichter. Das Flugzeug würde also länger ausschweben und nicht so schnell landen. Hm, okay. Ab jetzt alles ganz in Ruhe: Ganz sauber die Checkliste abarbeiten, alles genauso wie auf jedem anderen Flug vorher. Das Gefühl, allein im Cockpit zu sitzen, war trotzdem seltsam.
Der Start gelang perfekt, das Fahrwerk bekam ich sauber rein. Einmal rum und schon ging’s wieder runter zur Landung. Die Landung war nicht die Weichste, aber sie war sicher! Den Gewichtsunterschied merkte ich deutlich: Ich schwebte deutlich länger aus.
Nach drei Runden, die wunderbar funktioniert haben, parkte ich das lieb gewonnene Spornradflugzeug am Vereinsheim und stieg überglücklich und stolz aus. Was für ein Erlebnis!